Selbst die löchrige Mietpreisbremse ist in Gefahr
TTIP würde auch Auswirkungen in den Kommunen haben -
Die Kosten tragen natürlich die Bürger und Bürgerinnen

EU und USA verhandeln seit mehr als einem Jahr hinter verschlossenen Türen über das Handels- und Investitionsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership). Nicht wenige Verhandlungsdokumente sind mittlerweile durchgesickert und haben TTIP zu einem heftig umstrittenen politischen Fall in Europa gemacht. Neben zivilgesellschaftlichen Organisationen, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen beteiligte sich auch die DKP an den Aktionen und hat viele Unterschriften gegen TTIP gesammelt. Am 18. April wird es nochmals richtig zur Sache gehen. Zwei Millionen Unterschriften könnten erreicht und sogar überschritten werden.

UZ: In Deutschland wie auch in anderen EU-Ländern könnten die Folgen von TTIP bis in die regionale und lokale Ebene spürbar werden. Hast du als Stadtrat der DKP im Heidenheimer Gemeinderat TTIP bereits ins Gespräch gebracht?

Reinhard Püschel: Auf meine Initiative haben zwölf Gemeinderatsmitglieder (SPD/Grüne/Linke/DKP) einen Antrag zu TTIP an den Gemeinderat gestellt. Der Oberbürgermeister (CDU) hat es allerdings abgelehnt, den Antrag auf die Tagesordnung zu setzen, mit dem Argument, es handele sich nicht um eine kommunale Angelegenheit. Festzustellen ist, dass in vielen anderen Städten über das Thema TTIP beraten und beschlossen wurde. Auf Grund meiner Nachfrage beim Stuttgarter Regierungspräsidium hat auch dieses dem Heidenheimer OB recht gegeben. Wie viele Rechte werden durch TTIP abgebaut? Der Chefredakteur H. Prantl (Süddeutsche Zeitung) nannte TTIP einen "Anschlag auf die parlamentarische Demokratie".

UZ: Wie ist das mit den Schiedsverfahren?

Reinhard Püschel: ISDS-Schiedsverfahren haben weltweit in den letzten Jahren zugenommen. Gab es in den 90er Jahren noch zehn bekannte Fälle, kletterte die Zahl 2013 auf 568. Mit TTIP könnten die Klagen deutlich anwachsen. Diese Verfahren werden vor privaten Schiedsstellen verhandelt und unterscheiden sich von ordentlichen Gerichten. Sie tagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit und halten die meisten Dokumente unter Verschluss. Ihre Urteile sind bindend und es gibt keine Berufungsinstanz.

UZ: Was ist das Ziel von TTIP/CETA?

Reinhard Püschel: Wir, die DKP, haben schon immer deutlich gemacht, dass TTIP, CETA etc. die Unterwerfung von ganzen Staaten unter die Kapitalinteressen der großen Konzerne bedeuten. Im Kampf um Wettbewerbsvorteile arbeiten die Konzerne des großen und Monopolkapitals über Ländergrenzen hinweg bis zum Abschluss des Freihandelsabkommens zusammen. Danach werden sie zu Gegnern. Dies wird zu einer neuen Welle der Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge führen. Kleinere und mittlere Unternehmen werden in den Ruin getrieben, Löhne werden gedrückt, Arbeitsplätze vernichtet und die soziale Spaltung vertieft. Demokratie und bürgerlicher Rechtsstaat, Arbeits- und Menschenrechte sowie die Erhaltung der Umwelt spielen keine Rolle bei den Freihandelsabkommen. Es geht allein um die Freiheit des Großkapitals und die Verbesserung seiner Profite - und das auf Kosten der Menschen.

UZ: Gibt es Beispiele, was auf die Kommunen zukommen könnte?

Reinhard Püschel: Ja! Die von der Bundesregierung beschlossene, aber löchrige Mietpreisbremse: Sie soll die Möglichkeit geben, hohe Preissprünge bei Neuvermietung einzudämmen. Das gleiche gilt auch bei den "Sozialchartas". Hier soll den Mietern ein gewisser Schutz garantiert werden. Dies könnten die Immobilieninvestoren als Bruch ihrer "legitimen" Gewinnerwartungen auffassen und sich mit Verweis auf TTIP zur Wehr setzen. Die Frage nach der kommunalen Daseinsvorsorge sehe ich ebenfalls kritisch, nämlich wie die staatliche Beihilfe in TTIP geregelt wird. Wie entschlossen schon jetzt private Betreiber gegen kommunale Zuwendungen für öffentliche Aufgaben vorgehen zeigt das Beispiel des Bundesverbandes Deutscher Privatkliniken (BDPK). In einem Musterprozess verklagte der Verband den Landkreis Calw wegen dessen Hilfszahlungen für die Kreiskliniken. Diese betrachtete er als Verstoß gegen das EU-Beihilferecht. Auch in Heidenheim ist das Kreisklinikum in einem desolaten finanziellen Zustand. Müssen wir Kommunalpolitiker damit rechnen, mit einer Klage bedroht zu werden, wenn wir unserer Kreisklinik finanzielle Hilfe geben?

Noch ein Beispiel. Schon seit Jahren kämpfen Kommunen mit dem immer restriktiveren europäischen Vergaberecht, das sie zu europäischen Ausschreibungen von Liefer-, Dienstleistungs- und Bauaufträgen zwingt. Das engt ihre Möglichkeiten ein,Aufträge an eigene, gemeinnützige oder an ortsansässige private Unternehmen zu vergeben. Durch diese wettbewerblichen Ausschreibungsverfahren kommen immer mehr Konzerne zum Zuge und wirken so als ein effektiver Hebel zur schleichenden Privatisierung der Daseinsvorsorge.

UZ: Wer trägt die Kosten?

Reinhard Püschel: In nicht wenigen Fällen wurden Staaten zu Strafzahlungen in Millionen- oder sogar Milliardenhöhe verurteilt. Die Kosten tragen natürlich die Bürger und Bürgerinnen. Wegen des beschlossenen Atomausstiegs forderte beispielsweise der Konzern Vattenfall über vier Milliarden Euro Schadensersatz von Deutschland. Liberalisierung und Privatisierung werden zur Einbahnstraße. Einmal privatisierte Stadtwerke, Entsorgungsfirmen oder Krankenhäuser zurück in kommunale Hände zu geben, würde mit TTIP erschwert. Öffentliche Aufträge können noch stärker einer markt- und wettbewerbsorientierten Logik unterzogen werden. Lokale Wirtschaftsförderung oder die Beschaffung nach sozialen und ökologischen Kriterien könnten erschwert oder gar verboten werden.

Deshalb müssen wir alles tun, damit TTIP, CETA etc. gestoppt werden.

Reinhard Püschel ist DKP-Stadtrat in Heidenheim.

Das Gespräch für die UZ führte
Gerhard Ziegler

UZ, 17.04.2015

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